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AutorenbildSuli

ES LEBTE EIN KIND AUF DEN BÄUMEN


»Wenn zwei zusammen träumen, dann sind sie nicht allein, dann können sie ein Löwe,

ein Fisch und eine Möwe

und einfach alles sein.«


»Es lebte ein Kind auf den Bäumen“, so beginnt die Reise für ein Kind und seinen Bären. »Das geht nicht, wirst Du sagen. Doch, das geht!« Und so ist es. Wie mir dieses wunderbare Album so lange entgehen konnte, ist mir ein Rätsel. Schon 1999 kam es auf die Welt und Konstantin Wecker drückte es mir neulich höchstpersönlich in die Hand. Ich habe ihn besucht und wir tranken Gänsewein - nein, es war natürlich Espresso - neben seinem Flügel in seinem Wohnzimmer, umgeben von hunderten Büchern. Ein ganz kleiner Rainer Maria Rilke saß auf einem der Regalbretter, baumelte mit den Beinen und formte Papierkügelchen, hoffentlich nicht aus seinen Gedichten, und ich bin ganz sicher, dass irgendwann Ingeborg Bachmann an der Balkontür vorbeihuschte und etwas von »Komödien, die lachen machen und Tragödien, die zum Weinen sind« tuschelte. Dass Kindermusik niemals einer Simplifizierung unterliegen muss, da waren wir uns gleich einig. »Das habe ich nie gemacht«, sagte Konstantin und ich meinte: »Ich lege die Latte auch immer etwas höher als nötig!« Meinem Pudel Maxi auf meinem Schoß war das alles egal. »Ich bin auch ein Hundenarr!«, flüsterte Konstantin und versuchte Maxi anzulocken. Der blinzelte nur mit den Augen. Auf dem Heimweg und zu Hause hörte ich mir das Album an und es hat mich weggeblasen und umgehauen. Jutta Richter hat die Texte geschrieben und Konstantin Wecker diese vertont und mit Orchester eingespielt. Es wird erzählt und gesungen, gelacht, geweint und viel geträumt. Jutta Richter dichtet auf höchstem Niveau und hat ihre Lieder mit einer Geschichte verbunden. Ein Kind möchte unbedingt fliegen lernen, es begegnet anderen Tieren, die zwar Federn haben, aber auch nicht fliegen können: Der Pfau zum Beispiel und sogleich erfahren wir, dass alle Pfauenfrauen Getrud heißen. Das war mir neu, klingt aber logisch. Wir lernen das Traumel kennen, das von unseren Träumen lebt: »Und wenn das Traumel bellt, träume ich von einem Hund.« Wir begegnen dem doofen Huhn, das eifersüchtig dem Bären die Augen aushackt. Der ist daraufhin lange nicht bereit etwas zu sagen bis er das Kind vor einem Baum herunter auffordert ihm nachzuklettern: »Komm, das kannst du auch!«


Dieses Album hätte ich als Kind schon geliebt, die Lieder sind so leichtfüßig wie tiefschürfend, erzählen von Sternen, die sich nicht gesehen fühlen, wissen, dass alle Puppen Barbie heißen und sagen uns dann plötzlich wie aus dem Nichts zu E-Gitarre und Rock’n Roll: »Mutig sein, ihr Lieben, das muss man üben!« Das sitzt, ein Lied, das bei mir sofort den Gedanken »Warum ist mir das nicht eingefallen?« auslöst, einfach großartig. Ein politisches Kinderlied, das erklärt, dass auch »Nein!-sagen« etwas ist, dass uns nicht zufällt, wir müssen es lernen. Ganz großes Kino!


Konstantin Wecker mit seinem rollenden R ist ein Meister der Melodien und Wendungen, seine Stimme ist sanft und stark, weich und ermutigend. Die Orchesterarrangements sind unterhaltsam, witzig und bewegend, erwecken den Bären, das Trampeltier und die Königin von Ülzen, die so winzig klein und doch in einen Riesen verliebt ist, zum Leben.


»Wir sind damals mit Orchester getourt«, sagte Konstantin noch, »das war schön!« Und das ist ja auch ein Traum von mir, mal mit einem Orchester spielen. Ich werde es mit dem alten Bären halten, denn jeder Mensch braucht einen Bären, der mir zugeflüstert hat: »Was man ganz fest will, wird wahr!«

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