Das Netzwerk Kindermusik wurde vor über zwanzig Jahren ins Leben gerufen und erlebt nun seine Geburtsstunde als eingetragener Verein. Fünfzig Kinderliedermacher:innen sind Teil des Netzwerks, es ist die einzige Interessensvertretung der Kindermusik in Deutschland. Weitere Informationen zu Aktivitäten oder Aufnahmekriterien unter www.kindermusik.de. Nicht alle im folgenden genannten Kinderliedermacher:innen sind Teil des Netzwerks.
Musik für Kinder hat viele Gesichter und in den letzten Jahren einen grandiosen Aufschwung erlebt. In allen Ecken des deutschsprachigen Raumes machen Künstler:innen Musik für Kinder in allen Altersklassen, von Kita über Grundschule ist bis zum Familien-Rock’n Roll ist alles dabei. Und wie jede andere Art von Musik trägt die Kindermusik auch verschiedene Kleider: Sie kommt als Pop, Rock, Reggae, Swing, Disco, Ballade, Schlager oder Tanzmusik daher. Und wie die erwachsenen Schwesterngenres folgt auch die Kindermusik dem des musikalischen Marktes: Schlager kann sehr erfolgreich sein, Rockmusik lässt die bodenständigen Herzen höher schlagen, wer einen Weg in die Elternherzen findet, hat Zugang zum Portemonnaie für CDs und Merchandise-Produkte.
Doof geboren ist keiner
Dabei fing alles überschaubar an. In Berlin formierte sich schon Ende der 60er Jahre das Grips-Theater. Birger Heymann und Volker Ludwig legten die Latte hoch und zeigten von Anfang an, dass Musik für Kinder auch politisch sein kann. »Doof geboren ist keiner, doof wird man gemacht!« legte den Finger auf die Wunde der Chancenungleichheit für Kinder durch ungleichen Zugang zu Bildung. Volker Ludwig traute sich auch Themen anzusprechen, die sonst keiner ansprach: »Meine Eltern sind geschieden«, »Wer sagt, dass Mädchen dümmer sind« oder »Einer ist keiner« sind heute Klassiker und waren damals Zündstoff. Heutzutage reagieren Kinder auf das Lied »Einer ist keiner, zwei sind mehr als einer, aber sind wir erst zu dritt, machen alle andern mit« mit der Frage: »Bin ich für mich allein denn nichts wert?« Die Individualisierung samt der dazu gehörenden Bedürfnisse sind auch bei den Kindern angekommen. Gleichzeitig sind Vielfalt und Solidarität, die Bekenntnis zur Verschiedenheit auch bei den Kinderliedermacher:innen präsent. Jede Menge Lieder zum Thema Inklusion und Miteinander werden geschrieben und gesungen. Als Liedermacher war auch Frederik Vahle politisch aktiv, sein Lied »Die Rübe« kennen viele Menschen bis heute. Es besingt das solidarische Zusammenhalten, wenn es ein Problem gibt. Der erfolgreichste Kinderliedermacher ist zweifelsohne Rolf Zuckowski, sein Lied »Die Weihnachtsbäckerei« wurde über Nacht zum Volkslied, viele andere seiner Lieder sind ein fester Bestandteil der Kinderkultur. Dass er heute noch mitspielt und Gehör findet, sieht man an seinen Instagramm-Posts »Geschichtenlieder aus dem Dachstübchen«. Wer im Osten groß geworden ist, kennt die großartigen Lieder von Gerhard Schöne. Die Reise um die Welt in der Badewanne und die Geschichte von Jule, die sich nie wäscht, sind flächendeckend bekannt geworden. Ebenso der »Traumzauberbaum« von Rainhard Lakomy, der mit seiner Frau Monika Ehrhardt-Lakomy viele Lieder geschrieben hat. Als die Texterin im Schatten des großen »Lacky« wurde Monika 2019 zurecht für den Musikautorenpreis der GEMA nominiert.
Geschlechtersensible Kindermusik
Zu Recht, denn wie aus der oben angeführten Liste der KinderliedermachER hervorgeht, denn in der Kinderliederszenerie ist, ganz anders als in der Pädagogik, die Verteilung von Frauen und Männern umgekehrt proportional. Von den Musikschaffenden für Kinder sind 80% Männer und 20% Frauen – eine Schätzung, versteht sich. Den Beruf der Musikerin, die ihr Geld mit Konzerten und Produktionen für Kinder verdient, scheinen eher weniger Frauen zu ergreifen. Wie überall ist die »Kindermusik« ein Spiegel der »Erwachsenenmusik«, denn selbst die vielen Singer-Songwriterinnen haben fast immer männliche Musiker hinter sich, Bands im TV sind fast immer Männer-besetzt. Sind Frauen als Berufsmusikerinnen, die keine Sängerinnen sind, doch noch eine Ausnahme?
Zudem scheint es als wären Frauen eher in der Verbindlichkeit, im Miteinander, eher in der Kita als in der Grundschule unterwegs. Rockerinnen, die mit E-Gitarren posieren, sind eher selten. Sind die Kinderliedermacherinnen zu brav, wollen sie keine Reibung erzeugen? Aber wenn das »Private politisch ist«, dann darf es doch auch ein Kinderlied sein, darf Räume öffnen, Themen aufgreifen, die gesellschaftlich relevant sind, mit dem Fuß aufstampfen und Forderungen stellen á la Pippi Langstrumpf. Ich könnte nun weit ausholen und von den Erfahrungen von Frauen im Beruf »Musikerin« berichten. Frauen ergreifen diesen Beruf nicht mit der breitbeinigen Selbstverständlichkeit ihrer männlichen Kollegen. Aber natürlich gibt es sie: Christiane Weber, Beate Lambert, Margit Sarholz von Sternschnuppe, auch Nena hat Kindermusik gemacht. Nur die Rollen werden selten gesprengt.
Neue Kinderlieder Das neue Kinderlied allerdings ist das Kinderlied, das Erwachsene lieben. Kaum ein Flyer oder Werbebanner kommt ohne den Schriftzug »Kindermusik, die auch Eltern gefällt« aus. Wen würde es wundern: Eltern gehen mit ihren Kindern in Konzerte und kaufen die CDs.
Zaches&Zinnober waren eines der ersten Kindermusik-Duos, die mir begegneten. Michael Zachcial und Ralf Siebenand spielen seit beinahe 25 Jahren für Kinder, mit Wortakrobatik, Poesie, aberwitzigen Geschichten und virtuoser Musik begeistern sie ihr Publikum. Ein besonderes Schmankerl: die Herren siezen einander auf der Bühne. Ein Ohrenschmaus! »Deine Freunde«, drei Hip-Hopper aus Hamburg, haben mit ihrer Musik gezeigt wie es auch gehen kann: Sie erschließen Konzerthallen wie das Tempodrom in Berlin, sie präsentieren mittlerweile eine Familienshow für sechstausend Menschen. Das ist beeindruckend, zumal ihre Konzerte keine Musicals sind oder einen roten Faden folgen, keine Story, keine Figuren, einfach ein Konzert für die ganze Familie, in dem alle vor und zum Zuge kommen. Niemand kann »Family Talk« so gut wie Deine Freunde: »Du bist aber groß geworden«, oder »Ich zähl bis drei mein lieber Freund« und – mein persönlicher Lieblingssong - »Nachtisch« sind nur drei Beispiele von Liedern, die Sätze aufgreifen, die alle kennen.
Ähnlich machen es die poppigen 3Berlin, Diane, Carsten und Toby, alle drei in Berlin geboren, die ebenfalls in die Familien reinhören und daraus Lieder machen wie »Reden ist Gold« oder »Mach ich einfach morgen« aus ihren Alben »Nicht von schlechten Eltern«. Zu jedem Song haben sie sich eine Kinderliedermacherin oder einen Kinderliedermacher eingeladen, um zusammen Lieder zu schreiben. Sogar Volker Ludwig war dabei. Und da wird es wieder spannend: das Genre-überspannende Miteinander der Künstler:innen findet Widerhall auf der Familiencouch. Eine der erfolgreichsten Produktionen aus diesem Feld stellt »Unter meinem Bett« dar, Erwachsenen-Liedermacher:innen schreiben mal einen Song für Kinder. Macht das deutlich, dass das Kinderlied an sich und auch die Kinderliedermacher:innen einen »schlechten« Ruf haben? Öfter als einmal sagten Eltern nach Konzerten zu mir: »Ich wusste gar nicht, dass es solche Konzerte für Familien gibt!«
Weil Berlin groß ist, gibt es hier noch mehr Schätze zu fördern: seit vielen Jahren aktiv, kreativ und innovativ ist das Musiktheater ATZE, das mit seinem Leiter Thomas Sutter alle Jahre auf’s neu um Subventionen kämpft, aber stetig neue und erfolgreiche Produktionen spielt. Und ganz weit vorne singen mit aktuellen Themen wie »Viva Wasser« die Herren Ich&HerrMeyer, ein kahlköpfiges Duo, das weiß was Kinder der Großstadt interessiert, sie schlagen vor: »Heute bleib ich offline!«
Die Liedermacherin Astrid Hauke aus Bielefeld, die als Lieselotte Quetschkommode bekannt wurde, singt mit ihrem jungen Publikum »Come on, let’s move, come on let’s groove, come on let’s go!« Die Kinder und Jugendlichen lassen sich nicht lange bitten, ob Deutsch oder Englisch, sie lieben es gefordert zu werden. Der Übergang von den Kinderliedern, die sie aus der Kita kennen zur Popmusik ist schnell gemacht, Musik mit altersgerechten Texten, Geschichten und Refrains im Pop-, Rock- oder Reggae-Stil gibt es immer öfter. Bielefeld, die Stadt über die immer gewitzelt wird, ist eine wahre Goldgrube für Kindermusik. Randale, die erfolgreiche Band, die Hardrock für Kinder macht, kommt von dort, Faryna mit ihrer tollen Stimme, die den Spagat Lehrerin und Kinderliedermacherin zu sein, lässig hinlegt, das eine befruchtet das andere, ebenso wie die Löffelpiraten und Familienrock’n Roller Krawallo.
Und das nicht erst seit gestern: an der Spitze der Rockbands für Kinder stehen die Blindfische aus Oldenburg, die das schon seit über zwanzig Jahren betreiben. Musikkabarett das als Rockkonzert daherkommt. Es gibt immer etwas mitzusingen, mitzumachen und mitzufiebern. Wenn beim Fußball-Lied der Gitarrist den Ball spielt, der Schlagzeuger das Tor ist und der Bassist der Spielkommentator, dann rastet das ganze Publikum aus. Nachdem das erste Tor gefallen ist, steht das Tor selbst beleidigt in der Ecke. Der Kommentator: »Wo ist das Tor?« Die Kinder: »Es schmollt!« Ein Spiel mit Musik und Sport wie man es sich lustiger nicht vorstellen kann. Das alles begleitet von erstklassiger Musik, die die Kinder - pädagogisch ausgedrückt - in ihrer rechten Gehirnhälfte hält und Ganzheitlichkeit automatisch mitliefert. RADAU!, die Rockband aus Hamburg hat ebenso vor vielen Jahren mit dem Slogan »Garantiert blockflötenfrei!« auf sich aufmerksam gemacht. Sie spielen auch schon mal im kompletten Feuerwehrmannoutfit und verwandeln den ganzen Saal in eine zu löschende Party.
Ob Partymacher oder Regenwaldbesucher, die Kinderliederlandschaft erstreckt sich von Bayern bis Hannover. Donikkl hat mit seinem »Fliegerlied« die Grenzen des Genres massiv erweitert. Was als Kinderlied auf die Welt kam, wurde ein Hit und wird in Kitas genauso gesungen wie auf der Wies’n in München. Unmada - Manfred Kindel - ist durch die ganze Welt gereist und hat Lieder aus dem Regenwald zu uns gebracht, ein Kulturvermittler im besten Sinne, der niemals belehrend oder einem eurozentristischen Ansatz des »Ich-weiß-es-besser« daherkommt, eher wie einer der zuhört und mitsingt. Genauso macht es das Projekt Karibuni, Weltmusik für Kinder, die vielfältig ist und Themen wie »Wie lebe ich Frieden«, »Was bedeutet Freiheit?« aufgreift und in verschiedenen Sprachen daherkommt.
Mai Cocopelli ist eine Liedermacherin aus Österreich, die nicht nur großartige CDs rund um »Yoga für Kinder« gemacht hat, sie war eine der ersten, die ihre Lieder von Orchestern begleiten lässt und mit zwanzig und mehr Kindern auf der Bühne Ukulelen-Konzerte spielt. Und aus Tirol kommen die virtuosen Ratz-Fatz, ein Duo aus Telfs. Die beiden großartigen Musiker machen Musik zum Mitmachen und Zuhören, jede Menge Kinder tummeln sich auf ihren Bühnen, ihre Musik ist ein wahres Feuerwerk an Ideenreichtum und Melodiepirouetten. Außerdem sind sie extrem lustig.
Herausragend, mit Witz und politischer Schärfe hat sich die Rapperin Sukini aka Sookee letztes Jahr zu Wort mit ihrer CD Schmetterlingskacke letztes Jahr zu Wort gemeldet. Lieder wie »Meine Mamas« oder »Glitzer« greifen Themen auf, die sonst selten auf den Punkt gebracht werden: lesbische Mütter und sich eklatant rückwärts bewegenden Geschlechterklischees. Einzig der Sänger und Musiker Marceese Trabus aus Berlin Kreuzberg singt selbstbewusst im Meer der Liedermachermänner: „Ich bin die Erdbeerprinzessin, mein Pups riecht nach Erdbeer!« Endlich mal! Viele der Kinderliedermacher:innen, die ich kenne, sind wahre Künstler:innen und haben als solche Zugang zu unsichtbaren Welten. Diese Menschen werden von Kindern geschätzt und geliebt, es gibt eine Verbindung, die von unschätzbarem Wert ist, sie vermitteln Lebensqualität, Tiefe und Weite, halten das innere Kind am Leben, haben einen lebendigen Draht zum Publikum, beziehen Kinder und Erwachsene ein, stellen Fragen, lassen mitsingen und mitmachen, es gibt keine richtig oder falsch, sie sind witzig und nachdenklich und eröffnen Räume, in Verbindung mit Pädagog:innen, die dies in ihrer täglichen Arbeit aufgreifen, entstehen Welten. Genau so macht die sanfte, witzige und einfühlsame Poesie eines Toni Geiling mehr als Gänsehaut und berichtet: »In der Wolkenfabrik ist heute Himmelbrand!« Mit Geige und singender Säge ist Toni ein Unikum.
Die Aufzählung ließe sich lange fortsetzen: das Kindermusiktheater Lila Lindwurm versorgt seit über dreißig Jahren Kita und Schulkinder mit Liedern zu allen Themen vom Umweltschutz bis zum Mobbing, Stephen Janetzko hat in seiner Laufbahn über sechshundert Lieder erfunden und veröffentlicht regelmäßig Themen-CDs von »Piratinnen« bis »Einschlaflieder«. Birte Reuver aus Hamburg hat eine Ukulele-Schule herausgebracht in denen man vom Ein-Akkord-Lied bis zum Vier-Akkord-Lied einen lockeren Einstieg ins Land der »kleinen Gitarre« findet, mit Sicherheit kennen viele Kinder und Erzieher:innen das Lied von den »zwei kleinen Schlangen«, sie immer »bss bss« machen, erfunden hat es Wolfgang Hering, der jede Menge Bücher mit Kinderlieder veröffentlicht, seine eigenen, aber auch die von vielen Kolleg:innen.
Keiner kann Lieder schreiben, die durch Einfachheit und Tiefe bestechen wie Robert Metcalf: »Ich bin anders als du bist anders als er ist anders als sie!« ist nur ein Beispiel seiner Genialität. Auf der Bühne ist er als geborener Brite mit Melone - er lebt seit über dreißig Jahren in Berlin - ganz die Ruhe selbst, die Kinder hängen an seinen Lippen. Die vielen, tollen Kolleg:innen, die ich hier nicht aufzählen kann, werden es mir hoffentlich verzeihen, der Text hätte alsbald Überlänge und kein Mensch würde ihn im digitalen Textermüdungszeitalter mehr lesen. Ach, stimmt ja, wer hat Anteil an Sprachvermittlung, Spracherwerb und und Sprachkompetenz? Genau, Kinderlieder und ihre Erfinder:innen!
Und dann gibt es noch die Festivals: das Frankfurter Kinderliedermacherfestival zum Beispiel für das Georg Feils aka Ferri, er ist übrigens der »Gummibär«-Schreiber höchstpersönlich - ach, Sie kennen dieses Lied nicht? Fragen Sie mal ein paar Kinder im Kita-Alter! - immer drei Kinderliedermacher:innen einlädt, um gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Die Allstar-Band sozusagen. Diese Konzerte erleben pro Saison im Schnitt 3000 Kinder. Dann gibt es u.a. noch das Kindermusikfestival in Oldenburg, das Kilifee in Mönchengladbach, den Kinderliedersommer in Halle und die Festivals, die das Netzwerk Kindermusik.de gemeinschaftlich auf die Bühne stellen.
Kein Radio mehr und kaum Konzerte
Im Radio hören wir all dies nur äußerst selten, im Gegenteil: ein Kinderradio nach dem anderen wird abgeschaltet und eingestampft. Zuletzt der KiRaKa des WDR und davor der KAKADU von Deutschlandradio Kultur. In Berlin trällert immerhin Radio Teddy für Kinderohren, davon sind weit mehr als die Hälfte Songs aus den Charts, aber ansonsten schließt sich das Zeitfenster für Kindermusik doch schnell. Ratz fatz werden Kinder zu Hörer:innen der Erwachsenenmusik. Rolf Zuckowski ist einer der finanziell erfolgreichsten Künstler in Deutschland, er saß in der Jury für den GEMA-Musikautorenpreis 2019, der nach acht Jahren wieder einmal das Genre »Kindermusik« aufgriff, zuletzt hatte den Preis 2011 Gerhard Schöne bekommen. Trotzdem wirkt Kindermusik wie das ungeliebte Stiefkind der Musik und wird nicht genug anerkannt und gefördert. Als mir der Preis verliehen wurde, sagte ein Mitglied aus dem GEMA-Vorstand zu mir, er hätte gar nicht gewusst, dass es »sowas« gäbe. Musik ist das Hauptgeschäft der GEMA, warum weiß sie nichts über Kindermusik?
In Zeiten von Corona wird es auch gleich noch richtig schlimm. Künstler wie Geraldino aus Nürnberg, der fast vierzig Jahren Lieder und Kindermusikgeschichte schreibt, sieht angesichts der Krise sein Lebenswerk bedroht. »Auftrittsverbot« wurde erteilt, in Bayern fließt aber kein Geld, um seine Künstler:innen zu beschützen. Kein reines Kinderliedermacher:innen-Problem, das ist klar, aber das Genre Kindermusik erfährt auch zu normalen Zeiten keine Unterstützung. Im Gegenteil: Junge Eltern behaupten es gäbe keine Kindermusik, die auch ihnen gefalle. Das stimmt so nicht mehr, darüber hinaus muss auch nicht jedes Lied, das für Kinder gemacht ist und in diesem Sinne eine Lebensberechtigung hat, Erwachsenen gefallen. Hunderte von Mitmach- oder Begrüßungsliedern gibt es für die Kita-Welt: Erzieher:innen singen sie und vermitteln so dem Nachwuchs „eins, zwei, drei“ Verschiedenstes auf einen Streich: Unsere lebendige Kultur, die Verbindung der linken und rechten Gehirnhälfte, Sprache und ihre Formen, ein freundliches Miteinander und sie verbessern damit die kognitiven Leistungen ähnlich wie Sport es kann.
Kinder brauchen Musik, Musik aller Art, vom einfachsten Fünfton-Lied für Einjährige bis zum fetzigen Rocksong für 12-Jährige, die sich noch nicht den fragwürdigen Deutschrappern zuwenden, deren Weltbild alles andere als Lebensfreude und Solidarität ausstrahlt. Und diese Musik sollte ihren festen Platz im Radio haben umrahmt von Themen, die für Kinder relevant sind.
Ein Kopf voller Träume
Das Kinderlied ist die literarische Frühform, die sich zu uns in die Wiege setzt. Verschiedenste Liedformen und musikalische Stilarten werden oft zum ersten Zugang zu musikalischen Variantenreichtum, und gemeinsames Singen kann soziale, religiöse und sprachliche Barrieren überwinden. Ein Kinderliederkonzert vermittelt wichtige Kulturtechniken, prägt die Bereitschaft sich auf etwas einzulassen und dem Erlebten Wertschätzung entgegenzubringen. Kinderlieder sind Sachthemenvermittler und ein Spiegel der Lebenswelt der Kinder, sie stimulieren die Fähigkeit den eigenen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, durch das Zusammenwirken von Musik, Sprache und Körperausdruck werden Gefühle und Inhalte miteinander verbunden.
Wir Kinderliedermacher:innen singen für und mit Euren Kindern, wir vermitteln kulturelle Werte von Frieden und Freiheit, wir haben Spaß und ein Miteinander in der Tasche, regen zum Mitmachen und Mitdenken an und brauchen Unterstützung, damit es in der Zukunft noch Konzerte für die ganze Familie geben kann, von der Krusenkoppel in Kiel bis zum Theater in Tirol, von den Bühnen an der Nordsee bis Wien. Wir brauchen Eure Unterstützung, Solidarität und uneingeschränkte Liebe, denn wir haben Poesie, Rap, Rock, Folk, Singsang und Tralala. Außerdem haben wir Schlagzeug, Gitarren, Stimmen, Bewegung und Vielfalt im Gepäck. Alles was ein Kind braucht, um fantasievoll eine Burg zu bauen, beherzt einen Song zu schmettern, verträumt in der Ecke am Schulhof zu sitzen, begeistert eine Freundin in ein Konzert zu schleppen.
Kinder sehen die Welt mit anderen Augen, die noch nicht abgeschlossene Entwicklung des Verstandes lässt sie die Welt anders wahrnehmen als die Erwachsene tun, sie haben wie es in einem meiner Songs heißt »einen Kopf voller Träume, ein Herz voller Mut.« Die Welt um das Kind herum lebt, das Kind ist Teil seiner Mitwelt. Und für das Kind leben nicht nur die Menschen, Tiere und Pflanzen, auch der Staubsauger singt und hinter den Mülltonnen verstecken sich die Geister.
Die Welt der Kindermusik ist klein, eine Nische, und riesig, ein Ozean, zu gleich. Wer sie erforscht, wird staunen. Wer sie vernachlässigt, stellt der Kindheit einen Totenschein aus. Lasst Kinder doch Kinder sein, die Pubertät zieht sie früh genug auf die »dunkle Seite der Macht«, wo Hormone ihren Tribut fordern und Eltern den letzten Nerv rauben. Bis dahin gebt ihnen Musik, die für sie gemacht ist, mit altersgerechten Texten in angemessener Darreichungsform. Kindermusik lebt, aber sie muss gefüttert werden. Heute. Von uns allen!
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